Von Matthias Wolf

Nach dem Rassismus-Verdacht auf dem FC Bayern Campus klagt der beschuldigte Jugendtrainer gegen seine Entlassung. Der Anwalt des Trainers erhebt schwere Vorwürfe gegen den Klub und spricht von „Täuschung und Drohung“. Der FC Bayern nennt die Vorwürfe falsch.

Mitte der Woche in München, Unbekannte platzieren ein riesiges Transparent am Eingang des FC Bayern Campus und verbreiten Fotos davon über die sozialen Netzwerke. „Jeder, der rassistische Scheiße toleriert, hat in unserem Verein nichts verloren“, steht auf dem Transparent. Eine klare Botschaft an die Führung des Champions-League-Siegers, den Rassismus-Vorfall im Nachwuchsleistungszentrum schonungslos aufzuarbeiten. 

Klage vor dem Arbeitsgericht

Über den hatte das WDR-Hintergrundmagazin Sport inside am 11. August zum ersten Mal berichtet. Die Staatsanwaltschaft München ermittelt nach der Berichterstattung wegen Volksverhetzung, dem Mitarbeiter wurde fristlos gekündigt. Nun erhebt der Rechtsanwalt des beschuldigten Trainers, Christian Nohr, schwere Vorwürfe gegen den FC Bayern München. Unter anderem wegen „Täuschung und Drohung“.

Der Essener Arbeitsrechts-Experte hat Klage vor dem Arbeitsgericht eingereicht und beruft sich dabei neben angeblichen Formfehlern des FC Bayern bei der Kündigung und Befristung des Vertrages seines Mandanten auf Paragraph 123 BGB. Dort heißt es: „Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten.“

„Unzulässiger Druck“

Der Anwalt schildert, wie es am 17. August – vier Tage nach der fristlosen Kündigung – doch noch zur Unterzeichnung einer Aufhebungs- und Abwicklungsvereinbarung mit seinem Mandanten gekommen sein soll. Dabei sei der leitende Mitarbeiter des FC Bayern unzulässig unter Druck gesetzt worden. „Er hatte genau eine Stunde Zeit“, so Nohr, „man hat ihm gesagt: Unterschreiben Sie jetzt – oder wir werden eine Mitteilung mit Ihrem Klarnamen auf die Homepage setzen.“ 

Dazu kam es dann nicht. Der FC Bayern verbreitete noch am selben Tag nur eine dürre Meldung, wonach man sich von dem Mitarbeiter getrennt habe. Einvernehmlich sei die Trennung vonstatten gegangen, wie es damals in der Mitteilung hieß. 

Rassismus-Verdacht auf dem FC Bayern Campus . Sportschau. 23.08.2020. 08:44 Min.. Verfügbar bis 23.08.2021. Das Erste. 

Davon ist jetzt nicht mehr die Rede. „Für meinen Mandanten war klar, wenn er nicht einwilligen würde, wäre er erledigt – er wäre nur noch der Rassist, der in der Fußballbranche nie mehr einen Fuß auf den Boden bekommen würde“, sagte Nohr am Freitag (28.08.2020) im Gespräch mit Sport inside. „Daraufhin hat er unterschrieben.“ Der Trainer habe schlicht Existenzangst gehabt, er habe eine hohe Baufinanzierung laufen. 

FC Bayern: Vorwürfe sind falsch

Den Aufhebungsvertrag, der seinem Mandanten noch nicht einmal eine Abfindung zusichere, wolle er nun aufgrund der Umstände anfechten. Die Ehefrau sei bei dem Telefonat dabei gewesen, habe alles mitgehört und ebenfalls Angst bekommen, bei Nennung des Familiennamens ihren Job zu verlieren. Es stellt sich zudem die Frage: Warum noch diese Vereinbarung? Hatte der FC Bayern selbst Zweifel an der Rechtmäßigkeit der fristlosen Kündigung? Der Klub ließ am Samstag über eine Anwaltskanzlei mitteilen: „Die erhobenen Vorwürfe sind falsch.“ 

Die gilt aus Sicht des FC Bayern auch für weitere Vorwürfe, die Anwalt Nohr erhebt. Dem Verein hätten die anonymen Beschwerdebriefe der Eltern vorgelegen – weshalb Unwissenheit auszuschließen sei. „Der Vorstand wusste sehr viel. Sie wussten auch, was er für ein Typ ist, bisweilen etwas heftig in der Wortwahl, aber der Vorstand hat nichts unternommen, was zu einer Verhaltensänderung und zu einer Aufklärung der Situation geführt hätte.“ Nur ein etwas lauterer, schrofferer Trainer? Seine Art, geduldet von der Campus-Führung? Kurzum: „Er wurde nie abgemahnt- und dann will man ihn plötzlich fristlos kündigen“, sagt Nohr. 

Trainer weist Anschuldigungen zurück

Über seinen Anwalt äußert sich der ehemalige leitende Mitarbeiter nun erstmals auch selbst. Er habe keine rassistischen Ansichten, betont er. Er habe ohne Probleme mit Trainern mit Migrationshintergrund zusammen gearbeitet und mittlerweile viele unterstützende Statements erhalten von Spielern, die er trainiert habe. Abgesehen davon, so Anwalt Nohr, könne er zehn Eltern als Zeugen vorladen, die dem Trainer bescheinigen würden, „dass die Kinder nicht schlecht von unserem Mandanten trainiert und behandelt wurden“.

Dem widerspricht allerdings ganz offenkundig vieles, was zahlreiche Mitarbeiter und Eltern gegenüber Sport inside und der Sportschau erklärten. So gaben Mitarbeiter zu Protokoll: „In Trainersitzungen hat er offen gesagt: ‚Den Spieler holen wir nicht – wegen seinem Scheiß türkischen Nachnamen.‘ Jeder wusste, was er denkt, was er für ein Rassist ist.“ Auch in den internen Ermittlungen des FC Bayern sollen die Rassismus- und Mobbing-Vorwürfe häufiger bestätigt worden sein. 

Campus-Führung im Blickfeld

Und was sagt der Anwalt zu den rassistischen Wortmeldungen in einer vereinsinternen Chat-Gruppe? Inhaltlich wolle er sich derzeit noch nicht äußern, so Nohr. Jedoch sei er verwundert, und habe dies auch dem Verein mitgeteilt, dass nur sein Mandant bisher zur Verantwortung gezogen worden sei, wo die Gruppe doch 2018 insgesamt acht Mitglieder gehabt habe. Er sei sicher, dass sich sein Mandant nicht strafbar gemacht habe – und das Verfahren wegen Volksverhetzung bald eingestellt werde. Sein Mandant kooperiere vollumfänglich mit der ermittelnden Staatsanwaltschaft. 

Der Verein befragte unterdessen auch in dieser Woche wieder Mitarbeiter und Zeugen durch Mitarbeiter der Rechtsabteilung – und hatte stets betont, erst diese internen Ermittlungen beenden zu wollen. Dabei sind nach Informationen von Sport inside längst auch leitende Angestellte ins Blickfeld geraten, zumal es Eltern gibt, die betonen, sie hätten die Campus-Führung mit Hermann Gerland und Jochen Sauer über das Mobbing ihrer Kinder durch den beschuldigten Trainer informiert. Viele Fragen bleiben weiter offen. Könnten womöglich aber schon in wenigen Wochen vor dem Arbeitsgericht beantwortet werden – beim obligatorischen Gütetermin. 

Am Dienstag hatte der FC Bayern unterdessen verkündet, dass Hermann Gerland sich künftig nur noch auf seine Tätigkeit als Co-Trainer bei den Profis von Hansi Flick konzentrieren werde. Die sportliche Campus-Leitung wurde auf Holger Seitz übertragen. Ob dies eine erste Reaktion auf den Rassismus-Skandal sei? Auch dazu gab es auf Anfrage bisher keine Antwort vom FC Bayern. 

Stand: 29.08.2020, 13:38