Wegen rassistischer Äußerungen trennten sich ein Jugendtrainer und der FC Bayern – angeblich einvernehmlich. Nun erhebt der Anwalt des Trainers schwere Vorwürfe und klagt gegen den Klub. 

Es war eine überraschende Wortwahl, mit der sich der FC Bayern zu einer unangenehmen Affäre äußerte, die den deutschen Rekordmeister beschäftigte, während er gerade in Lissabon die Champions League gewann. Einem Jugendtrainer im Nachwuchsleistungszentrum wurde nach einem Bericht des WDR-Magazins Sport Inside rassistisches Gedankengut und rassistischer Sprachgebrauch im Zusammenhang mit der Sichtung und Verpflichtung von Jugendspielern vorgeworfen. Und der Klub teilte zwei Tage vor dem Halbfinale des Turniers in Lissabon mit, man habe das Arbeitsverhältnis mit dem Trainer „einvernehmlich“ aufgelöst. Eine scheinbar friedliche Einigung also nach Vorwürfen, die den wichtigsten deutschen Fußballklub erschütterten?

Nun, rund zwei Wochen später, wird deutlich, dass die Trennung zwischen dem langjährigen Trainer und dem Verein wohl mit Einvernehmen wenig zu tun hat – und dass den FC Bayern die Aufarbeitung des Eklats in seinem Campus genannten Nachwuchszentrum auch vor Gericht beschäftigen wird.

Rassismus-Vorwurf gegen Bayern-Trainer

Viele Fragen sind noch offen

Der FC Bayern löst den Vertrag mit einem Jugendtrainer auf, der Spieler rassistisch beleidigt haben soll. Damit ist der Sachverhalt aber längst nicht abgeschlossen.   Von Sebastian Fischer 

Unter der Woche hatte der Anwalt des beschuldigten Jugendtrainers, der Essener Arbeitsrechtler Christian Nohr, gegen die Kündigung Klage vor dem Arbeitsgericht eingereicht. Er moniert angebliche Formfehler des FC Bayern bei der Kündigung und der Befristung des Vertrages. Und er erhebt schwere Anschuldigungen gegenüber dem FC Bayern, dem er unter anderem „Täuschung und Drohung“ vorwirft. Darüber berichtete am Samstag zuerst die Sportschau.

Die Chronologie der Auseinandersetzung zwischen Trainer und Klub geht demnach so: Am 13. August, zwei Tage nach dem ersten Bericht, verfasste der Klub ein Kündigungsschreiben. Allerdings kam es wiederum vier Tage später zur Unterzeichnung einer sogenannten Aufhebungs- und Abwicklungsvereinbarung. Nohr schildert es so, dass sein Mandant dabei unzulässig unter Druck gesetzt worden sei. Ihm sei gesagt worden, er müsse die Vereinbarung innerhalb einer Stunde unterzeichnen, ansonsten werde sein Name in einer Mitteilung auf der Klub-Webseite veröffentlicht. Sein Mandant, so der Anwalt, habe aus Angst unterschrieben. In der kurzen Erklärung, in der wenig später von der einvernehmlichen Trennung zu lesen war, wurde der Name des Trainers nicht genannt.

Die Frage ist nun, warum es nach einer fristlosen Kündigung überhaupt noch zu dieser Vereinbarung kam. Weil der FC Bayern befürchtete, die Kündigung sei möglicherweise nicht rechtmäßig? Diese Auffassung vertritt jedenfalls Anwalt Nohr. Er wirft dem FC Bayern darüber hinaus vor, dass der Klub schon lange von den Vorwürfen gewusst habe, seinen Mandanten aber nicht abgemahnt hatte. Unter anderem lagen dem Verein anonyme Beschwerdebriefe über den Trainer vor. In diesen wurde ein Rassismus-Vorwurf jedoch nur beiläufig thematisiert, stattdessen eher die umstrittenen Methoden des Trainers angeprangert. Der FC Bayern ließ jedenfalls am Samstag über eine Anwaltskanzlei mitteilen: „Die erhobenen Vorwürfe sind falsch.“

Aus Kreisen des Klubs heißt es darüber hinaus, dass es aus einem ganz anderen Grund zu der Vereinbarung kam: Dies sei vielmehr auf Initiative des Trainers hin geschehen, der zu dem Zeitpunkt noch von einem anderen Rechtsanwalt vertreten wurde.

Welche Schilderung der Wahrheit entspricht, dürfte vor dem Arbeitsgericht bei einem Gütetermin verhandelt werden. Dann dürfte es auch darum gehen, worum es in solchen Fällen immer geht: eine mögliche Abfindung. Und vor allem geht es weiterhin um die für den Klub wichtigen grundsätzlicheren Fragen. „Jeder, der rassistische Scheiße toleriert, hat in unserem Verein nichts verloren“, steht zum Beispiel auf einem Transparent, das Fans Mitte der Woche am Campus anbrachten.

Der beschuldigte Jugendtrainer gibt zwar über seinen Anwalt an, keine rassistischen Ansichten zu vertreten, auch mit Spielern mit Migrationshintergrund unproblematisch zusammengearbeitet zu haben. Doch die Echtheit der anonym veröffentlichten Chat-Protokolle aus dem Jahr 2018 mit eindeutig rassistischer Wortwahl, nach deren Bekanntwerden in den Medien gar die Staatsanwaltschaft Ermittlungen aufnahm, wurde mehrfach bestätigt. Und so ist vielmehr die Frage, warum sich in dieser Gruppe, in der sich Trainer und Scouts austauschten, niemand den Bemerkungen entgegenstellte, sie eher goutiert wurden.

Hatte der leitende Trainer tatsächlich, wie es heißt, ein Klima erschaffen, in dem ihm niemand zu widersprechen traute? Wieso hatte er eine leitende Position inne, obwohl kaum jemand im Vereins-Umfeld, mit dem man über die Vorwürfe gegen den Trainer spricht, von diesen überrascht zu sein scheint? Welche Rolle spielte die Campus-Leitung um Jochen Sauer und Hermann Gerland? Letzterer, so gab der Klub am Dienstag bekannt, werde sich statt der sportlichen Leitung des Campus künftig auf seine Rolle als Assistenz-Trainer von Hansi Flick konzentrieren.

Der FC Bayern hat seit der Veröffentlichung der Vorwürfe stets betont, den Vorgang ernst zu nehmen. Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge verwies auf die vor wenigen Monaten gestartete Kampagne „Rot gegen Rassismus“. Während im WDR in den vergangenen Tagen erneut anonym die Vorwürfe erhärtet wurden („Jeder wusste, was er denkt, was er für ein Rassist ist“), ermittelt der FC Bayern weiter intern. Mitarbeiter würden von der Rechtsabteilung befragt, auch Psychologen hinzugezogen, heißt es. Die Untersuchungen dauern noch an.

Sebastian Fischer – 29.08.2020