Nohr Rechtsanwälte
Currently Viewing Category: Familienrecht

Einstweiliges Anordnungsverfahren

Gericht darf kein paritätisches Wechselmodell von Amts wegen anordnen

Aus unterschiedlichen Motiven halten Eltern bezüglich der Betreuung ihrer Kinder das Wechselmodell für den richtigen Weg. In der täglichen Praxis sind sie dann mitunter unterschiedlicher Auffassung über die Brauchbarkeit einer solchen Regelung. Spätestens wenn ein Elternteil dann eine Änderung einer entsprechenden Vereinbarung anstrebt, können sich erhebliche juristische Probleme ergeben – so auch im folgenden Fall des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (OLG).

Eltern hatten gerichtlich ein paritätisches Wechselmodell vereinbart. Die Söhne (ein und fünf Jahre alt) waren danach am Montag und Dienstag beim Vater, wechselten am Mittwoch zur Mutter und blieben dort bis Freitag. An den Wochenenden lebten die Kinder dann im Wechsel bei einem der beiden Elternteile. Diese Regelung wollte die Mutter gegen den Willen des Vaters ändern und rief dazu das Gericht an. Als es zu keiner Lösung kam und Gutachten einzuholen waren, erließ das Familiengericht von Amts wegen eine einstweilige Anordnung, wonach künftig die Kinder im Wochenrhythmus zwischen den Eltern wechseln sollten. Keiner der Elternteile hatte diese Regelung gewünscht.

Genau aus diesem Grund kippte das OLG auch die Entscheidung, da diese den Bereich der elterlichen Sorge betreffe. In solchen Fällen darf ein Gericht von Amts wegen nur aktiv werden, wenn eine Kindeswohlgefährdung vorliegt. Und da dies hier nicht der Fall sei, habe das Gericht deshalb ohne Antrag eines Elternteils keine Befugnis, aktiv zu werden.

Hinweis: Der Bundesgerichtshof hat Regelungen zum Wechselmodell nicht als solche der elterlichen Sorge bezeichnet, sondern solche des elterlichen Umgangs. Zum Umgang kann das Gericht von Amts wegen wie hier tätig werden. Somit fällt auf: Wenn es um das Wechselmodell geht, so ist etliches unklar. Intensive Beratung ist im Einzelfall vonnöten – aber auch bedachtsames Vorgehen, da mitunter auch Gerichte in dieser Grauzone überfordert sind.

Quelle: OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 04.02.2020 – 2 UF 301/19

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Kontrolle von Gutachten

Persönliche Anhörung des Betroffenen ist im Betreuungsverfahren unerlässlich

Psychische Erkrankungen sowie körperliche, geistige oder seelische Behinderungen eines Volljährigen können eine Betreuung und die Bestellung eines Betreuers erfordern. Dabei ist besonders zu beachten, in welchem Maße der Betroffene selbst zu Gehör zu kommen hat. Dass die Anforderungen der Rechtsprechung hier sehr hoch sind, zeigt im Folgenden einmal mehr der Bundesgerichtshof (BGH).

Die Betroffene kam offenbar mit ihrem Betreuer nicht zurecht und hatte die Aufhebung einer über sie eingerichteten Betreuung sowie jedenfalls einen Betreuerwechsel beantragt. Sie wollte stattdessen von ihrem Ehemann vertreten werden. Das Gericht holte ein neues fachpsychiatrisches Gutachten ein. Der Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass die Frau nicht in der Lage sei, dem Ehemann wirksam eine Vollmacht auszustellen. Deshalb müsse die Betreuung fortbestehen. Da offenbar keine Gründe gesehen wurden, den bisherigen Betreuer auszuwechseln, verblieb es bei der bisherigen Betreuerbestellung.

Aber das Gericht hatte rein schriftlich entschieden und die Betroffene nicht persönlich angehört – und da sah der BGH den Verfahrensfehler der vorherigen Instanzen. Es sei laut BGH diese persönliche Anhörung jedoch unerlässlich, um der Kontrollfunktion gerecht zu werden, die das Gericht gegenüber dem Sachverständigen habe. Nur durch die persönliche Anhörung könne vermieden werden, dass das Gericht „blind“ dem Sachverständigen folge. Deshalb hat der BGH die Vorentscheidungen aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen.

Hinweis: Auch wenn der Umgang mit Betreuten mühsam sein kann – der BGH nimmt den Schutz gerade dieser Menschen zu Recht sehr ernst.

Quelle: BGH, Beschl. v. 15.02.2020 – XII ZB 438/19

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